Lebensmittel mit Hormonwirkung

Phytoöstrogene - Lebensmittel mit Hormonwirkung


Immer mehr Frauen bekommen insbesondere in den Wechseljahren Hormonpillen verordnet. Können hormonähnliche Stoffe aus Pflanzen eine Alternative sein?
Pflanzen enthalten Substanzen, die ähnliche Wirkungen zeigen wie die vom Menschen produzierten Östrogene. Neue Studien deuten darauf hin, dass eine Kost, die reich an diesen Phytoöstrogenen ist, vor Krebs, Knochenabbau und Beschwerden in den Wechseljahren schützt. Phytoöstrogene sind sekundäre Pflanzenstoffe, die in unterschiedlicher Konzentration und biochemischer Struktur in verschiedenen Pflanzen vorkommen. In ihrer Struktur ähneln sie dem 17-Beta-Östradiol, das heißt dem weiblichen Keimdrüsenhormon. Dieses so genannte Follikelhormon regelt unter anderem den Menstruationszyklus und wirkt spezifisch auf die weiblichen Geschlechtsorgane, die Brustdrüsen und auf bestimmte Zentren im Zwischenhirn.

Der ähnliche chemische Aufbau der pflanzlichen Substanzen führt dazu, dass die Phytoöstrogene an die Östrogenrezeptoren im menschlichen Stoffwechsel gebunden werden können. Ihre Wirkung liegt zwar im Vergleich zum 17-Beta-Östradiol nur bei etwa 1/500 bis 1/1000. Die Menge an Phytoöstrogenen in Urin und Plasma kann jedoch je nach Speiseplan die Konzentration der im Stoffwechsel gebildeten Östrogene um das 500fache übersteigen. Menschen, die traditionell japanisch essen, haben eine bis zu 110fach höhere Isoflavonoidkonzentration im Urin als Personen mit einer westlich geprägten Mischkost.
Darmflora beeinflusst Verfügbarkeit
Lignane und Isoflavone (Genistin, Daidzein, Glycitein) sind die Phytoöstrogene, die nach derzeitigem Wissensstand die größte Bedeutung für den menschlichen Stoffwechsel haben. Diese pflanzlichen Substanzen werden von Enzymen der Darmflora abgebaut, wodurch sie von unseren Verdauungsorganen aufgenommen werden können und in Blut, Urin, Stuhl und Galle gelangen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Darmflora aktiv ist. Bei Versuchspersonen, die Antibiotika bekamen, verschlechterte sich der enzymatische Umbau im Darm, und sie schieden signifikant weniger Lignane im Urin aus.
Besonders reich an den Vorläufern der im menschlichen Organismus aktiven Isoflavone sind Sojabohnen und daraus hergestellte Produkte. Lignane finden sich vor allem in Leinsamen. Weitere gute Quellen für Phytoöstrogene sind Hülsenfrüchte, Getreidekleie und Getreide. In etwas geringerer Konzentration sind sie auch in vielen Gemüse- und Obstsorten, Samen, Hopfen, Salbei und einigen alkoholischen Getränken wie Bier, Wein und Bourbon (Whiskey) enthalten. Wie hoch der Phytoöstrogengehalt eines Lebensmittels ist, wird zudem von Sorte, Klima, Erntezeit und Fruchtreife beeinflusst.
Fermentationsprozesse können die Konzentration an Phytoöstrogenen in Lebensmitteln erhöhen und die Bioverfügbarkeit verbessern, z. B. beim Keimprozess von Hülsenfrüchten. Der Anteil an biologisch wirksamen Phytoöstrogenen hängt somit vom Lebensmittel selbst ab, von der Verarbeitung sowie vom Zustand der Darmflora.
Wirksamer Schutz vor Krebs?
Studien an Menschen, Tierversuche und laboranalytische Modellstudien deuten darauf hin, dass Phytoöstrogene bei Beschwerden und Krankheiten positiv wirken, die mit Östrogenen in Zusammenhang stehen. Dazu gehören Herz-Kreislauferkrankungen, Osteoporose, Krebserkrankungen von Brust, Gebärmutter und Prostata sowie Hitzewallungen in den Wechseljahren. Auch epidemiologische Beobachtungen sprechen für günstige Effekte: Asiatische Frauen, deren Kost reichlich Sojaprodukte enthält, erkranken wesentlich seltener an Brustkrebs. 1997 starben von 100.000 Menschen in Japan statistisch gesehen 6,6 an Brustkrebs, in Deutschland waren es dagegen 22,6. Ob dieser Effekt allein auf den Gehalt an Phytoöstrogenen zurückzuführen ist oder ob auch andere Inhaltsstoffe der Sojabohne daran beteiligt sind, ist noch unklar.
Durch ihre leicht östrogenen sowie antiöstrogenen Eigenschaften können Phytoöstrogene auf vielfache Weise in die komplexen Mechanismen der Entstehung von Krebs eingreifen. Experten vermuten, dass der Einfluss der Pflanzenstoffe vor allem bei der Tumorprogression eine Rolle spielt. Dabei unterdrücken die Phytoöstrogene die Wirkung natürlicher Östrogene, die das Wachtum von geschädigtem Erbgut fördern und so zur Entstehung bestimmter Krebsarten beitragen. Aufgrund ihrer strukturellen Ähnlichkeit binden die Pflanzenstoffe an die Rezeptoren der Östrogene, die damit blockiert sind.
Darüber hinaus kann die Synthese des Sex Hormone Binding Globulins (SHBG) durch Phytoöstrogene stimuliert werden. Das SHBG ist ein in der Leber gebildetes Protein, das im Blut Geschlechtshormone bindet. Dadurch sinkt die Konzentration an freiem Östrogen und Testosteron. Sehr niedrige Blutwerte an SHBG haben z. B. Patientinnen mit Brustkrebs.
Stabilere Knochen durch Phytoöstrogene
Der schwach östrogene Effekt der Phytoöstrogene wirkt sich vermutlich auch auf den Knochenstoffwechsel positiv aus und kann so einer Osteoporose vorbeugen. Nach den bislang vorliegenden Studien erhalten bzw. erhöhen Phytoöstrogene die Knochenmasse und verbessern so auch die Stabilität der Knochen. In einer Studie nahmen gesunde Frauen nach der Menopause drei Monate lang 60-70 Milligramm Isoflavone in Form von Sojaprodukten auf. Die Forscher stellten daraufhin eine gesteigerte Aktivität der knochenbildenden Zellen fest. Weitere Studienergebnisse müssen jedoch noch abgewartet werden, um diesen positiven Einfluss zu erhärten.
Ähnlich wie bei bestimmten Krebsarten und der Osteoporose ist auch die Häufigkeit von Herz-Kreislauferkrankungen in Asien niedriger als in West-Europa und Nordamerika. Neben anderen Faktoren wird diese Beobachtung mit der Ernährung in Zusammenhang gebracht. In mehreren Studien konnte belegt werden, dass Sojaprotein und isolierte Phytoöstrogene den Serumspiegel an LDL-Cholesterin, Gesamt-Cholesterin und Triglyzeriden signifikant senken können. Blutdruck, Viskosität des Blutes und Elastizität der Blutgefäße ließen sich bei Frauen in den Wechseljahren durch zusätzliche Phytoöstrogene allerdings nicht beeinflussen. Ob langfristig tatsächlich weniger Herz-Kreislauferkrankungen auftreten, wenn einzelne Risikofaktoren verändert werden, untersuchen Wissenschaftler gegenwärtig im Rahmen einer Therapie mit Hormon- bzw. Östrogenersatz. Langzeitstudien, die derzeit in den USA durchgeführt werden, bringen in den nächsten Jahren diesbezüglich sicher mehr Klarheit. Derzeit lässt sich nicht eindeutig belegen, dass die Einnahme von Östrogenpräparaten tatsächlich das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen vermindert. Erste Zwischenergebnisse sprechen zudem dafür, dass Brust- sowie Gebärmutterhalskrebs durch Hormonpillen wesentlich häufiger verursacht werden als bisher angenommen.
Wirksame Hilfe bei Hitzewallungen
Bei Frauen in den Wechseljahren führte die zusätzliche Einnahme von 45 Gramm Sojamehl oder 40 Gramm Leinsamen pro Tag dazu, dass die Hitzewallungen abnahmen. Dieser Effekt ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Phytoöstrogene den Serumspiegel von FSH (Follikel Stimulierendes Hormon) und LH (Luteinisierendes Hormon) senken. Die Abnahme dieser Hormone im Blut wird auch beobachtet, wenn Frauen in den Wechseljahren Hormonpräparate einnehmen.
Der gleiche Effekt konnte in Studien auch durch die Aufnahme von Weizenmehl (45 Gramm pro Tag) erzielt werden, obwohl Weizen einen wesentlich geringeren Phytoöstrogengehalt hat als Soja oder Leinsamen. Es ist daher möglich, dass der mikrobielle Abbau der Phytoöstrogene im Darm und deren Bioverfügbarkeit für die Wirkung entscheidender ist als der absolute Phytoöstrogengehalt des Lebensmittels. Denkbar ist auch, dass noch andere Stoffe im Weizen vorhanden sind, die eine horDies muss in weiteren Studien untersucht werden.
Wer die vorbeugende Wirkung der Phytoöstrogene nutzen will, sollte die Pflanzenstoffe in Form komplexer Lebensmittel aufnehmen. Dies ist nicht nur wesentlich preisgünstiger als Präparate, sondern schützt auch vor einer Überdosierung. Welche negativen Effekte bei einer langfristigen hochdosierten Einnahme von Phytoöstrogenen zu erwarten sind, ist derzeit noch nicht ausreichend untersucht. Denkbar wären aber ungünstige Auswirkungen auf die Fortpflanzung. So haben Japanerinnen beispielsweise durch den hohen Phytoöstrogengehalt ihrer Kost längere Menstruationszyklen als andere Frauen.
Isolate sind nicht empfehlenswert
Nahrungsergänzungsmittel, beispielsweise in Form von Soja-Präparaten aus der Apotheke, können derzeit nicht empfohlen werden. Einige Studien deuten darauf hin, dass vorbeugende und therapeutische Effekte von Nährstoffen weniger auf isolierte Substanzen, sondern auf die Wirkung des Nährstoffverbundes in Lebensmitteln zurückzuführen sind. Außerdem werden mit Lebensmitteln wie Vollgetreide, Gemüse und Obst auch andere Nährstoffe vermehrt aufgenommen, denen ebenfalls eine gesundheitsförderliche Wirkung zugesprochen wird.
Pflanzliche Kostbevorzugen
Mit einer überwiegend pflanzlichen Kost kann eine ähnlich hohe Phytoöstrogenkonzentration in Urin und Plasma erreicht werden, wie sie bei Japanerinnen zu beobachten ist. Studien belegen zudem, dass Menschen, die reichlich Getreide und Ballaststoffe aus Obst und Gemüse essen, mehr Phytoöstrogene ausscheiden. Die einfache, aber sicher nicht minder wirksame Empfehlung lautet daher: Verzehren Sie mehr Vollgetreide sowie Produkte daraus, regelmäßig Gemüse und Obst, und ergänzen Sie Ihren Speiseplan öfter durch Sojaprodukte, andere Hülsenfrüchte oder Lein-samen.
Diese Empfehlung ist nicht nur hinsichtlich Hitzewallungen und Schweißausbrüchen in den Wechseljahren vielversprechend. Sie wird gleichzeitig von Experten empfohlen, um Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs vorzubeugen.

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